„Incredible India“ – So wirbt der Vielvölkerstaat um Touristen und auch immer öfter um Kreuzfahrer. Drei Häfen laufen die Schiffe auf ihrem Weg nach und von Asien an der tausende Kilometer langen Küste an: Mumbai, Cochin und Chennai. Wir sind in allen Destinationen an Land gegangen und stellen euch die Häfen nacheinander vor. Gestartet wird mit dem unbekanntesten der drei Häfen: Chennai. Chennai wirkt auf den ersten Blick wie ganz Indien. Ein Maxikosmos knallharter Kontraste: Nur ein Steinwurf trennt da modernen Fortschritt von uralten Traditionen, Super-Reiche von Slums.
Der erste Kontakt mit der 7, 5 Millionen Metropole Chennai enttäuscht: Der Flughafen erinnert an Ostblock-Bauten, die Einreise-Formalitäten sind nervtötend sozialistisch, der Verkehr gleicht einem emsigen Ameisenhaufen und der Müll am Straßenrand brennt sich ins Auge. Und dennoch lohnen ein, zwei Tage Aufenthalt, hier, bevor ihr eure Kreuzfahrt startet.
Vor dreihundert Jahren standen nur ein paar Haufen einfacher Hütten im Sand. Heute ist Chennai eine der größten Metropolen Indiens. Eine Industrie-Stadt und das Zentrum der Filmproduktion. Es ist auch eine vergleichsweise junge Stadt, ebenso wie Mumbai oder Kalkutta. Die britischen Kolonialherren hatten sie 1639 wegen ihrer Lage gegründet, um Waren aus und nach Indien zu transportieren, etwa zuerst Kleidung. Der Beginn der Massenproduktion im Billiglohnland, könnte man boshaft meinen.
Sehenswürdigkeiten hat die Stadt wenige. Wer sich allerdings für die Kultur der Tamilen interessiert, findet viele Museen. Einen Stopp kann man im Fort St. George einlegen, gleich nach Ankunft der Briten 1640 gebaut und Keimzelle der Stadt. Allerdings: Hinein in die Festung kann man nicht. Lieber deshalb bei der St. Thomas Basilika aussteigen und einen Blick hineinwerfen. Angeblich befindet sich hier die Grabstätte des gleichnamigen Apostel.
Ausflug zu den Kulturschätzen Südindiens
Wirklich spannend und überhaupt den Aufenhalt in Chennai lohnenswert machend ist ein Besuch in Mahabalipuram, ein 15 000 -Seelen-Dorf etwa 60 Kilometer entfernt vom Zentrum. Wer hätte das gedacht? Hier befindet sich einer der wichtigsten archäologischen Fundorte Südindiens. Freigelegte Tempelanlagen, Höhlen und Reliefs, die zu den schönsten Kunstwerken Südindiens zählen.
Auf jeden Fall solltet ihr mit einem Taxi dorthin fahren, und sich auch vor Ort über das weitläufige Gebiet von einem zum anderen Tempel fahren lassen. Unbedingt vorher den Preis verhandeln! Gleich am Eingang zu den Stätten nehmen wir uns einen englischsprachigen Guide – hier wieder vorher den Preis verhandeln!
Unser Guide erklärt uns: Hier war der wichtigste Hafen des Pandya-Reiches, das im 6. Jahrhundert n. Chr. zur stärksten Macht an der hiesigen Koromandelküste aufstieg. Der Tempelbezirk hier ist seit 1985 UNESCO-Weltkulturerbe.“
Wir beginnen südlich der Stadt mit der Besichtigung – bei den „Fünf Rathas“. Das sind Tempelwagen, und werden so bezeichnet, weil sie den bei Tempelfesten benutzten Prozessionswagen ähneln. Diese Monolithen haben jeder eine andere Architektur, wurden nie benutzt und auch über ihren Zweck ist man sich unschlüssig.
Mitten in der alten Stadt liegt eines der größten Reliefs der Welt – unter freiem Himmel und super gut erhalten: Es ist gigantische 12 Meter hoch und 33 Meter lang. Ein Meisterwerk aus Göttern, Tieren, Menschen! Unser Führer erklärt uns, was es darstellen soll: Die Herabkunft der Fluss-Göttin Ganga vom Himmel auf die Erde. Unterbrochen wird das Relief von einer Spalte, durch die früher Wasser geflossen sein soll – ein Symbol für den Ganges.
Shiva-Tempel am Strand
Direkt am Strand steht der Shiva-Tempel von 690 bis 715 erbaut. Wind und Wetter haben ihm zugesetzt . Bestechend ist die Harmonie der Proportionen und die wunderschöne Bearbeitung der Fassade. Unser Guide: „Der Tsunami hat 2004 den Meeresspiegel abgesenkt. Dadurch haben wir im Sand weitere bisher unbekannte Skulpturen entdeckt und freigelegt. Unten im Meer befinden sich ebenfalls archäologische Funde, wie ein Tempel aus dem 7.Jahrhundert.
„Krishnas Butterball“- Hält er oder fällt er?
Wem der Tsunami und auch so manches Erdbeben im Laufe der Jahre nie etwas hat anhaben können, ist ein riesiger Felsbroken, den alle nur „Krishnas Butterball“ oder Butterkugel. nennen. Er „hängt“ nur auf einer Spitze an einem Hügel und scheint jede Sekunde nach unten rollen zu wollen – tut er aber eben nicht. Ein beliebtes Fotomotiv und auch wir stellen uns davor und stützen den Riesen-Stein.
Übrigens: Entlang der Wege passieren wir immer wieder Geschäfte mit hochwertigem Kunsthandwerk und Antiquitäten. Vor allem geschnitzte Figuren aus Granit und Speckstein werden als Souvenirs feil geboten. Irre, wie die Inder mit einfachsten Werkzeugen aus hartem Granit eine bunte Götterwelt schaffen. Unser Taxifahrer hält natürlich an und führt uns zu einem absolut „vertrauenswürdigen“ Laden mit „echten“ Sachen. Wir staunen, aber kaufen nichts.
Auf der Taxi-Fahrt zurück sind wir auch zurück in der Gegenwart: Herrenlose Kühe auf der Kreuzung, Mütter, die Babys im Wäschezuber baden, duftende Gewürz-Stände, dampfende Garküchen, im Schlammwasser sitzend suchen Fischer nach einer besonderen Delikatesse, Blutegel.
Hoteltipp: Vivanta by Taj Fisherman’s Cove Chennai, die Lifestyle
Wer entspannt den Jetlag überwinden will, sollte außerhalb vom Zentrum Chennais übernachten. Im ruhigen Luxus-Hotel Vivanta by Taj Fisherman’s Cove etwa liegen die Beach Cottages direkt am schönen Sandtrand, das romantische Seafood-Mondschein-Dinner findet am rauschenden Meer statt und im Spa verfliegt bei Indischer Massage der letzte Stress. Gut zum Akklimatisieren an das tropisch-heiße Klima!
Die Hotelmarke von Indiens größter und ältester Hotelgruppe Taj, steht für das junge und moderne Indien und wurde im März 2014 von Condé Nast Traveller US zur drittbesten Hotelmarke der Welt gekürt. www.vivantabytaj.com (1 Ü/ ca. 250 Euro).
Wir waren mit der Azamara Quest in Chennai. Die Reportage lest ihr im aktuellen Heft von AZUR (4/2015) oder hier online:
www.azur.de/reportagen/2015/tempel-tanze-tuk-tuks/29548